Vor 100 Jahren bei der Wehr

Aufstieg zum Steiger an der Spitze

Dithmarschen (bb) Bei Bränden in den Dörfern Dithmarschens wurden bis 1866, also bis das Land preußisch wurde, Brandwehren eingesetzt, zu der zwangsweise alle männlichen Einwohner zwischen 20 und 60 Jahren gehörten. In den Häusern hatten Patschen und Noteimer ihren bestimmten Platz. Ging das Feuerhorn, hatten sich die Einwohner damit sofort zum Brandplatz zu begeben.
Diese Brandwehren waren meist recht undisziplinierte Haufen, mit denen im Ernstfall nicht viel anzufangen war. Die Brände nahmen meist recht große Umfänge an. Die ersten nach 1846 gegründeten Freiwilligen Feuerwehren erwiesen sich dagegen als recht schlagkräftige Einheiten. Auch in Dithmarschen entstand schon früh eine derartige Wehr, 1847 in Heide. Sie mußte aber nach der unglücklich verlaufenen Erhebung Schleswig-Holsteins gegen Dänemark wieder aufgelöst werden.
Als das Land dann nach dem Krieg von 1866 gegen Österreich preußisch wurde, kam es angeregt durch entsprechende Regierungserlasse verstärkt zur Gründung von Freiwilligen Feuerwehren aus Dithmarschen. 1872 gab es in Schleswig-Holstein schon so viele Freiwillige Feuerwehren, daß es sich lohnte einen Provinzialverband zu gründen. Seit 1892 gab es auch Kreisfeuerwehrverbände.
Wo in den Ortschaften Spritzen vorhanden waren, wurden diese meist von der Freiwilligen Feuerwehr übernommen. Die Brandwehr trat ins zweite Glied. Sie wurde zur Reserve umfunktioniert, die nur noch gelegentlich übte und gerufen wurde,
wenn es ganz „dick“ kam, also nur bei sehr großen Feuern. In den Freiwilligen Feuerwehren herrschte damals eine strenge Hierarchie, an deren Spitze die Männer der Steigerabteilung standen, fast das gleiche Ansehen hatten die Strahlrohrführer. Das Gros der Wehr aber stellten die Spritzenmannschaften, die Schwerarbeit an den Handdruckspritzen zu leisten hatten. Sie arbeiteten mit Ablösung in zwei Schichten sozusagen.
Bei stundenlangen Einsätzen stellte sich meist ein erheblicher Grad an Erschöpfung ein. Kein Wunder, daß es das Bestreben der Männer war, aus dieser Abteilung möglichst zum Strahlrohrführer oder sogar zum Steiger aufzusteigen. Den Einheitsfeuerwehrmann, der später im Zeitalter der Motorspritze propagiert wurde und der alles können mußte, gab es vor 100 Jahren noch nicht. Heute ist die Feuerwehr schon wieder dabei, das Konzept des Einheitsfeuermannes aufzulösen. Zwar durchläuft jedes Mitglied selbstverständlich noch die Grundausbildung. Die Spezialisierung aber setzt schon wieder ein, als die Technik ein immer höheres Maß an Können verlangte. So ergänzen heute Sonderlehrgänge für Maschinisten, Funker und Atemschutzgeräteträger sowie in technischen Hilfeleistungen die Normalausbildung.
Das Ziel der Freiwilligen Feuerwehren aber ist seit über 100 Jahren das gleiche geblieben: Dem Nächsten, der in Not geraten ist, zu helfen, Schaden vom heimatlichen Ort abzuwenden und für die Dorfgemeinschaft einzustehen.