Fahrer leicht verletzt/200 000 Mark Schaden

Kieslaster macht Mieter obdachlos

EDDELAK (fub). Was für ein Schreck in der Morgenstunde. Ein schwerbeladener LKW krachte gestern gegen 9.30 Uhr in ein Mehrfamilienhaus, das unmittelbar an der Eddelaker Ortsdurchfahrt gegenüber der Bahnhofsstraße steht. Von da kam der LKW aus Richtung Burg, als dessen Bremsen, laut Aussage des Fahrers, plötzlich versagten und er direkt in die Seitenfront des Hauses rauschte und sich metertief in die Eingangstür bohrte. Ein davor parkender Opel Senator war nur noch schrottreif. Außer dem Fahrer wurde glücklicherweise niemand verletzt. Die Mieter kamen mit dem Schrecken davon, mußten aber wegen Einsturzgefahr evakuiert werden. Den verursachten Sachschaden beziffert die Polizei auf 200 000 Mark.
„Wo soll ich jetzt bloß hin?“ Erika Schlienger ist völlig ratlos, ringt mit der Fassung. Der Schock sitzt ihr und ihrem siebenjährigen Sohn Heiko noch mehr als eine Stunde nach dem Unfall gehörig in den Knochen. Seit mehr als acht Jahren wohnt sie in der Süderstraße 2 und nun ist sie obdachlos. Bei einer Tasse Tee im Hotel gegenüber, der sie nur unzulänglich zu beruhigen vermag, erzählt sie, was passierte. Sie befand sich gerade in der ebenerdigen Wohnstube, als sie auf einmal „einen ungeheuren Knall“ hörte. Nur wenige Meter von ihr entfernt war ein Lastwagen – praktisch in Küche und Hausflur – zum Stehen gekommen. Die Angst, die sie sodann überfiel, war der kreidebleichen Frau noch ins Gesicht ge
schrieben. Ihr Sohn schien den Unfall vielleicht sogar geahnt zu haben. „Er fühlte sich nach dem Aufstehen nicht so gut. Ich mußte ihn von der Schule entschuldigen,“ sagt Mutter Schlienger.
Die Mieter im Dachgeschoß erlebten den Aufprall des 40 Tonnen schweren Kieslasters so: „Mich riß es aus dem Schlaf. Ein irre lauter Schlag, alles hat gewackelt und dann ein seltsames Zischen. Als ob ein Autotank explodiert,“ beschreibt Michael Arndt seine Eindrücke in der Schrecksekunde. Dann ging er zum Fenster und sah die „schöne Überraschung“ direkt unter sich, jedenfalls deren hinteren Teil. Arndts Kumpel Kay Jahnz war böse ob des Schicksals seines Opels. „Mein schönes Auto,“ wetterte er. „Gerade habe ich
ihn frisch über den TÜV gebracht.“ Bei aller Traurigkeit, daß das 7 500 Mark teure Gefährt nun flöten ist, ist sich Jahnz doch seines Glückesgeschicks bewußt. Er wollte nämlich gerade aufbrechen, als der Unfall passierte.
„Fünf Minuten später – und ich wär‘ selbst platt gewesen,“ überdeckt Freude den Kummer. Und mit leichtem Galgenhumor fügt er, an seinen Freund gewandt, hinzu: „Das hat auch sein Gutes, Michael. Nun hast Du jedenfalls keinen Arger mehr mit dem Türschloß.“ Das habe nämlich immer geklemmt.
Dem 23jährigen Fahrer des Unfall-LKW, Steffen B., war natürlich gar nicht zum Lachen zumu
te. Mit verbundener Hand, er hatte an seiner Rechten Schnittwunden davongetragen, saß er zusammengekauert und zitternd in einem PKW unweit der Unfallstelle. Ein Zeuge, dem er dafür sehr dankbar ist, hat ihn sofort zu einem Arzt gebracht. Den Unfallhergang kann er nur schwer rekonstruieren. Er sei auf die Kreuzung zugefahren, als er merkt: „Keine Bremskraft da. Ich hab‘ einfach ins Leere getreten. Auch Pumpen half nichts.“ Geistesgegenwärtig reißt er seinen Magirus Deutz herum und versucht, in eine kleine Seitenstraße zwischen Norder und Süderstraße durchzukommen. Aber die Wucht ist zu stark, schon knallt er gegen das Haus und auf den Opel. In seinen
fünf Jahren als Berufskraftfahrer sei ihm soetwas noch nicht passiert.
Bis in den Nachmittag hinein dauerte die Bergung des Lasters. Mittels eines extra für derartige Fälle gefertigten Krans einer Heider Firma, der bis zu 40 Tonnen heben kann, wurde das Unfallfahrzeug nach Marne transportiert. Dort wird es heute von der Dekra nach technischen Mängeln untersucht, die den Unfall verursacht haben können. Das zerstörte Haus wurde provisorisch dichtgemacht. Strom und Heizung funktionieren nicht, das Dach droht einzustürzen. Die betroffenen Mieter sind zunächst in Wohnwagen und einer Obdachlosenwohnung untergebracht.