ES GEHT WIEDER LOS

Liebe Feuerwehrkameraden,

als bereits 50-jähriger und damit ziemlich spät berufener Feuerwehrmann bin ich noch ein absoluter Frischling. Als Motorradfahrer habe ich allerding schon deutlich über 30 Jahre auf dem Buckel, rund 22 davon als Redakteur der Fachzeitschrift MOTORRAD. Und als ebendieser Motorradprofi wende ich mich mit ein paar Tipps in Sachen Saisoneröffnung an die Motorrad fahrenden Kameraden unter uns. Keine Sorge, der erhobene Zeigefinger bleibt unten, und auch die Allgemeinplätze aus der Reihe „gegenseitige Rücksichtnahme im Verkehr“ schenke ich mir. Wir sind hier unter uns, und da muss man zum Thema Eigensicherung („Immer mit Helm…“) und Verantwortung gegenüber Dritten keine großen Worte verlieren – das wisst ihr selbst am besten.

In meiner MOTORRAD-Praxis tauchen zum Saisonbeginn aber immer wieder ein paar „Klassiker“ auf, die uns die ersten Touren mächtig verhageln können, wenn wir sie nicht beachten. Fast schon mein Lieblingsthema: der korrekte Reifenfülldruck. Die paar Monate Winterpause haben uns nämlich träge gemacht. Wir sind vermutlich nur Auto gefahren, und da neigt man aus Bequemlichkeit durchaus zum Wenig- bis Gar-nicht-Kontrollieren. Die Gummis unseres Motorrads haben in den letzten Wochen und Monaten Stillstand garantiert Druck verloren, und dieser Verlust macht sich deutlich stärker bemerkbar als Vergleichbares beim Pkw. Das mag man bei der ersten Tour und beim gemütlichen Dahinbummeln noch gar nicht so deutlich spüren, aber spätestens dann, wenn wir es wieder etwas flotter und in Schräglage angehen, verhaut uns der mangelnde Druck die Linie – im Extremfall so stark, dass uns die Kameraden aufklauben müssen. Darum also: Die kalten Reifen auf dem im Fahrerhandbuch (gern auch auf einem Aufkleber unter der Sitzbank oder an der Schwinge) genannten Fülldruck bringen, das ist schon mal die halbe Miete in Sachen Fahrstabilität. Und wer die Angaben partout nicht findet, macht in den meisten (Straßenreifen-)Fällen mit 2,5 bar vorn und 2,9 bar hinten nichts verkehrt.

Zweiter gern genommener Fehler bei der ersten Ausfahrt: Zu dünne Fahrerbekleidung und damit viel zu schneller Konditionsverlust. Nach Wochen mit Eis und Schnee sind die ersten Sonnentage natürlich mächtig verlockend, und die Frühlingssonne wärmt ja sogar schon etwas. Aber das gilt nur im Stand, und viele Fahrer unterschätzen einfach, wie frisch es während der ersten Tour dann doch noch ist. Aber da man sich vor den Kumpels keine Blöße geben möchte, wird das Ding durchgezogen. Mit allen Konsequenzen: eiskalten Händen, die nicht mehr anständig kuppeln und vor allem bremsen können; einem steifgefrorenen Hals, der keinen (überlebenswichtigen) Schulterblick erlaubt; einem insgesamt ausgekühlten Körper, der das Konzentrationsvermögen und die Aufmerksamkeit böse herunterfährt. Also, liebe Leute: Zieht euch (zu) warm an! Überflüssige Klamotten herunterrödeln kann man später immer noch, aber fast immer ist man froh, vermeintlich zu viel angezogen zu haben.

Dritter (und für heute letzter) Punkt, der mir am Herzen liegt: Die Sache mit „Ich kann es wieder!“ Genau dann wird‘s nämlich gefährlich. Entgegen landläufiger Meinung ist nicht unbedingt die erste Tour in der neuen Saison für uns am gefährlichsten. Und wohl auch nicht die zweite Ausfahrt, denn auch auf der ahnt man, dass die alten Reflexe und das Können vom Vorjahr noch nicht wieder 100-prozentig vorhanden sind. Wenn wir aber so nach zwei, drei Wochenenden meinen, es wieder drauf zu haben, wird es riskant. Kurve sehr dynamisch, aber leider etwas zu weit genommen; die Wheelie-Kür hinterm Ortsausgangsschild, mit dem der vom Feld kommende Jungbauer auf seinem Trecker leider nicht gerechnet hat – es geht x-mal gut, aber einmal eben auch nicht. Also nehmt euch Zeit, bis ihr es wieder richtig zügig angehen lasst. Der erste Tag, an dem ihr glaubt, es wieder richtig zu können, ist auf alle Fälle zu früh.

Falls ihr noch Nerv und Zeit dazu habt, euch zum Saisonstart noch mehr (durchaus unterhaltsame) Theorie zu gönnen, schaut auf das angehängte PDF (das hatte ich für MOTORRAD 6/2013 geschrieben), da steht eine ganze Menge zu technischen Saisonstart-Aspekten drin. Und geht im Internet mal auf www.runtervomgas.de (unter der Rubrik „Kampagnenmaterial“ auf „Motorradbroschüre“ klicken). Da bekommt ihr eine Reihe guter, vom Cartoonisten Martin Perscheid genial illustrierter Tipps. Und zu guter Letzt ein Tipp in eigener Sache: Der aktuellen MOTORRAD-Ausgabe 7/2013 ist eine 52-seitige Broschüre „Motorrad fahren – gut und sicher“ beigeklebt – sehr empfehlenswert!

Euch allen eine schöne Motorradsaison 2013 wünscht

Klaus Herder von der Freiwilligen Feuerwehr Eddelak

Motorrad 06/13 Fit für die Saison ( PDF, 1,7mb )
BMVBS Broschüre „Fahren mit Hirn“ (PDF, 3,4mb )