Beweisaufnahme begründet zwar einen Verdacht

Gericht verkündete Freispruch- im Eddelaker Brandstifterprozeß

Eddelak/Itzehoe (fr) In der Nacht zum 12. September 1970 ging in Eddelak die Disco-Gaststätte „Western-Story“ nur wenige Wochen nach der Eröffnung in Flammen auf. Fest steht nach dem Gutachten des inzwischen verstorbenen Brandsachverständigen Dr. Jach, daß es sich einwandfrei um Brandstiftung gehandelt hat. Doch wer der Brandstifter gewesen ist, daß wird wohl immer im dunkeln bleiben, denn der wegen gemeinschaftlicher schwerer Brandstiftung angeklagte Gastronom Alfred R. (42) und sein damaliger Geschäftsführer Günter W. (32) wurden nach mehrtägiger Verhandlung vor der 1. großen Strafkammer des Landgerichtes Itzehoe auf Kosten der Landeskasse freigesprochen.
„Es gibt Freisprüche, die hauchdünn sind“, begann der Vorsitzende der Strafkammer, Richter Manfred Selbmann, die Urteilsbegründung und schloß seine Ausführungen mit den Worten „auch die Kammer ist der Meinung, daß viel an der Anklage dran ist“ und, auf den Geschäftsführer bezogen, „er kann und ist es vielleicht auch gewesen, aber sicher ist es nicht. Das Mosaik der Beweisaufnahme begründet zwar einen starken Verdacht, aber jeder Zweifel geht zugunsten der Angeklagten, daher mußten sie freigesprochen werden.“
Bereits 1972 wurde Anklage erhoben, die jedoch von der Strafkammer in anderer Besetzung nicht zugelassen wurde. Die jetzige Anklage war aufgrund der Zeugenaussage der früheren Verlobten des Angeklagten R., Ursula Sch., zustande gekommen, die sich 1976 bei der Polizei gemeldet und eindeutig erklärt hatte, daß auf Alfred R.’s Veranlassung die Gaststätte in Brand gelegt worden sei. Sie hatte zum Beweis angegeben, daß sie am Tage vor dem Brand mit R, nach Eddelak gefahren sei, unterwegs – obwohl der Wagen vollgetankt gewesen sei – ein 40-1-Tank gekauft und gefüllt worden sei. Man habe sie bei einem Gespräch von Alfred lt. -mit Günter W. mit den Worten weggeschickt: „Was steckst du deine Nase dazwischen, das geht dich nichts an.“ Sie sei zum Alibi mit R. nachts nach Düsseldorf zu ihren Eltern gefahren. Unterwegs habe sie zwei Autotelefonate mitbekommen, in denen Günter W. seine Bedenken geäußert hatte, weil sie, Ursula Sch. vielleicht „nicht dichthalte.“
„Ursula Sch. – inzwischen geschiedene E. und in Scheidung le
bende N. – ist, als sie schon zum Termin geladen war, durch Freitod aus dem Leben geschieden, so daß die Kammer sich kein Persönlichkeitsbild mehr von der Zeugin machen kann, nur ein mittelbares Bild durch Zeugen, die mit ihr zu tun hatten, und das ist höchst lükkenhaft geblieben“, sagte der Vorsitzende. Wenn die von der Zeugin erhobenen Anschuldigungen sich als richtig erwiesen hätten, gebe es an einer schweren Brandstiftung keinen Zweifel, aber die Kammer habe nicht die Möglichkeit, die Konstanz dieser Aussage zu überprüfen. Beim „ersten Angriff“ der Ermittlungen 1970 sei die Zeugin überhaupt nicht vernommen worden, so daß Vergleiche mit früheren Einlassungen nicht möglich seien. Erst 1976 habe sie im Zusammenhang mit einer Betrugsanzeige bei der Polizei gegen Alfred R. in einem Brief erwähnt, daß ihr Vater der Überzeugung sei, Alfred R. und Günter W. seien die Täter. Zur zweifelhaften Glaubwürdigkeit der schillernden Persönlichkeit der verstorbenen Zeugin führte der Vorsitzende noch die von ihr erwähnten Drohanrufe aus Hamburg an, wozu ihr letzter Ehemann erklärt hatte, daß er Zweifel gehabt habe, weil sie nie in seiner Gegenwart kämen, dann plötzlich – in Abwesenheit von Ursula Sch. – ein solcher Anruf kam und er ihre Stimme am Telefon erkannt habe.
„Wir wären vielleicht weitergekommen, wenn 1976 die Beweismittel, der 40-1-Kanister, die Telefongespräche aus dem Auto oder sonst auch nur ein Punkt der Aussage von Ursula Sch. verifiziert worden wären“, bedauerte der Richter. „Nicht ein Krümel dessen, was Ursula Sch. gesagt, war für uns möglich zu verifizieren“, unterstrich der Sprecher und führte ferner die Aussagen des Versicherungsvertreters an, der es keineswegs für ungewöhnlich bezeichnet hatte, daß die Prämie kurz vorher von dem Angeklagten gezahlt sei. Er selbst sei es gewesen, der sich im Hamburger Lokal des Angeklagen den Scheck geholt habe, weil er in Urlaub gehen wollte.
Es möge ungewöhnlich sein, daß Alfred R., der selbst gleich Anzeige gegen Unbekannt erstattet hatte, einen Alibinachweis und eine Unbedenklichkeitsbescheinigung beigefügt hatte. Aber leider ließen sich auch die Umstände nicht mehr näher nachprüfen, da der Anwalt auch inzwischen verstorben ist. So blieben zwar manche Fragezeichen, aber für die Angeklagten nur der befreiende Freispruch.